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Der Morvan – das „grüne Herz“ von Burgund

Der Morvan – das „grüne Herz“ von Burgund

von Helmut Strauß (Kommentare: 2)

Burgund- das ist nicht nur der Wein, die reiche Kulturgeschichte oder Dijon mit seinem Palast der Herzögen nein, das ist auch der Morvan, das „Schwarze Gebirge“, wie es die Kelten nannten. Der Morvan wird auch das „grüne Herz“ von Burgund genannt, und das trifft es schon ziemlich genau, und mitten in diesem grünen Herzen liegt Vezely, idealer Ausgangspunkt für unsere Entdeckungsreise.

Der „ewige Hügel“ von Vézelay ist nicht nur Weltkulturgut der UNESCO, sondern zählt sicherlich zu den meistbesuchten Orten in Burgund und ganz Frankreich. Mit seinen knapp 500 Einwohnern hat der kleine Ort nicht nur sein ursprüngliches Aussehen größtenteils bewahrt, sondern strahlt schon beim ersten Hindurchrollen so viel Charme aus, dass wir gerne für die nächsten Tage hier unseren festen Standort beziehen. Alles in Vézelay wird von der riesigen, ehemaligen Klosterkirche Sainte Madelaine überragt, die als einer der gewaltigsten romanischen Sakralbauten Frankreichs gilt. Hier in Vézelay nahmen nicht nur einige Kreuzzüge mit Bernhard von Clairvaux, Richard Löwenherz und Ludwig VII. ihren Anfang, sondern hier war auch eine der wichtigsten Etappen der Jakobspilger auf ihrem Weg nach Santiago-de-Compostella. Auch wer nicht unbedingt ein Freund alter Kirchenbauten ist, diese alte Wallfahrtskirche ist unbedingt einen Besuch wert, vielleicht auch während der Abendmesse nach 18 Uhr, um die Gesänge der Mönche zu hören. Bevor wir uns aber zu unserer „Wallfahrt“ aufmachen, ist dringend eine Stärkung notwendig, und dazu ist Vézelay mehr als geeignet – die Auswahl an schmackhaften burgundischen Gerichten (und nicht zu vergessen die burgundischen Weine!) ist riesengroß. Die Menüs bieten alle Möglichkeiten zu stets fairen Preisen, sodass der Start am nächsten Morgen nach dem typischen französischen Frühstück absolut nicht gefährdet ist.  

Die gotische Stiftskirche in Niederhaslach ist schon einen Abstecher wert

Das „stille“ Glück der Angler – und der Motorradfahrer

„Aus dem Morvan kämen kein guter Wind und keine guten Leute“ – so lautet ein angeblich auch heute noch weit verbreitetes altes Sprichwort, was wir allerdings absolut nicht nachvollziehen können, ganz im Gegenteil. Die dunklen und tiefen Eichen- und Buchenwälder haben sicherlich in der Vergangenheit zu diesem oben genannten Vorurteil mit beigetragen; andererseits ist es in der Tat die Abgeschiedenheit, die wiederum genau den Reiz dieser Landschaft ausmacht. Und es gibt nicht nur Wälder, sondern auch Stauseen, die unter anderem zur Wasserregulierung der Loire ebenso beitragen wie zur Energie- und Trinkwasserversorgung und es gibt darüber hinaus diese so schön und sauber von Hecken eingerahmten Weiden, auf denen wie im Bilderbuch die Charollais- Rinder grasen. Seit 1970 ist der Morvan als „Parc Naturel Régional“ (Naturpark) ausgewiesen, was seine Bedeutung im Sinne des Fremdenverkehrs unterstreicht. Noch immer ist der Morvan allerdings ein armer Landstrich, der sich weiterhin stark entvölkert, was auf unserer Route auch an vielen verlassenen Gehöften deutlich wird. Da nutzt der vermehrte Anbau von Weihnachtsbäumen wohl wenig, auch wenn diese Weihnachtsbäume zu Millionen an Exemplaren jedes Jahr unter anderem in Deutschland’ s Stuben landen.

Wer natürlich die Stille liebt, sind die unzähligen Angler, denen wir an diesem Tag begegnen und die zunächst einen leicht verärgerten Eindruck machen, was auf unsere polternde Ducati zurück zu führen ist. Aber der Bann ist schnell gebrochen; die Frage nach dem Fangergebnis führt immer rasch zu intensiven Gesprächen. Und unsere Route haben wir auch deshalb so gewählt, um möglicht viel dieser unterschiedlichen Facetten mitnehmen zu können: schmale und zum Teil unbefestigte Wege führen uns von Vézelay über l’ Etang und Foissy-lés-Vézelay nach Pierre-Pethuis, wo es einen Blick in das Cure-Tal zu genießen gilt. Die Orte machen in der Tat einen verlassenen Eindruck, aber die Gebäude lassen immer noch ihre vergangene Pracht erahnen – vor allem wie in Foissy, wo uns ein alter Bauernhof mit einem alten, runden Gefängnisturm ins Mittelalter zurückversetzt. Weiter geht es über Quarré-les Tombes in Richtung Lormes, und nun ändert sich die Landschaft: weite und offene Wiesenlandschaften wechseln mit Wald auf den Höhen der Täler, und die Sonne tut ein übrigens, um uns diesen Morgen zusätzlich zu verschönern. Die kleine Départementale gibt uns und vor allem der Ducati wieder Gelegenheit, dem wahren Motorradspaß zu frönen, aber Vorsicht: gerade in Rechtskurven lauert der im tiefen Frankreich unvermeidbare Splitt, der bekanntermaßen der Haftung recht frühe Grenzen setzt, aber wer darauf gefasst ist, wird nicht so leicht überrascht. Mit Corbigny ändert sich wieder einmal das Landschaftsbild: bis Clamey begleitet uns nun der Canal du Nivernais, eine ideale Hausbootstrecke, die allein wegen drei Tunneln bei den Freizeitkapitänen wohl höchste Anerkennung genießt. Clamecy, an der Nahtstelle zwischen Morvan, Nivernais und Niederburgund hat nicht nur eine wunderschöne Altstadt zu bieten, sondern war auch bis 1923 ein Zentrum der Holzflößerei. Die Stämme wurden von hier bis nach Paris befördert, wo sie zum Heizen eingesetzt wurden. Die „Route des flotteurs de bois“ weist an vielen Stellen auf diese Sehenswürdigkeiten hin.

Die „Alpen“ im Tal der Yvonne

Die Landschaft wird jetzt durch das zunächst schmale Tal der Yvonne und die sanft geneigten Hochebenen geprägt, denen wir uns über Armes und Lichères-s-Yvonne als erstes zuwenden. Mann, die Sträßchen werden noch enger, die Wälder noch dichter und dunkler, die Felder noch offener – ein gänzlich anderes Bild, das uns nun begleitet. Über Magny und Merry – lauter kleine Gehöfte, oder sollte man wirklich „Dörfer“ sagen – folgen wir dem Flüsschen Yvonne und dem parallel verlaufenden Canal du Nivernais, die wir beide vor Mailly-le-Chateau überqueren, um uns den „alpinen Kletterkünsten“ an den Felsen von Saussois zu widmen. Die steil die Straße überragenden Felspartien sind an Wochenenden ein berühmt-berüchtigter Anziehungspunkt für Kletterkünstler aller Art. In Prégilbert biegen wir mitten im Ort rechts ab, um über einen guten Feldweg Bessy-s-Cure und dann Arcy-s-Cure zu erreichen. Jetzt sind wir wieder im Tal der Cure, das an dieser Stelle als breites und offenes Tal einen schon etwas belebteren Eindruck hinterlässt. In Arcy interessieren uns vor allem die außerhalb des Ortes gelegenen Tropfsteinhöhlen, die auf jeden Fall besichtigt werden sollten.  

Stauseen und kein Ende

Die Stauseen im „Bas Morvan“ und der sogenannte „Haut Morvan“ sind weitere Höhepunkte, die es zu erkunden gilt. Nach dem kleinen und romantischen Tal der Trinquelin geht es wieder zurück in die Landschaft, die für weite Teile Frankreichs immer noch so charakteristisch ist: mit Hecken gesäumte Wiesen, kleine Bauerngehöfte – und enge, kleine Feldwege, die von mächtigen, alten Bäumen begleitet sind – es ist fast wie in einem alten, nostalgischen Film. Und plötzlich, fast unerwartet, der Blick auf den im Tal liegenden Stausee von Saint Agnan. Das ist einer der eher ruhigeren Seen, mehr Naturschutz - als Erholungsgebiet, und das sollte man und frau unbedingt genießen. Weiter geht es über Montsauche-les-Settons zum Lac des Settons, ein fast 360 ha großer Stausee, der, wie es die vielen Wohnwagen zeigen, eher der Erholung dient. Er ist auch entsprechend für den Wassersport eingerichtet, aber auch bei Anglern und Jägern beliebt. Vielleicht sind wir jetzt schon vom Morvan „verwöhnt“, uns ist es hier jedenfalls fast zu hektisch, und so brechen wir auch bald wieder auf. Der folgende „Streckenabschnitt“ der D 37 bis Chateau-Chinon hat fast den Charakter einer Bergrennstrecke – unsere Ducati kann endlich wieder einmal „frei durchatmen“, also klein gemacht, und ab geht’s! Chateau-Chinon, die inoffzielle Hauptstadt des Morvan, bietet fast alles – außer dem Schloss, das es einfach nicht gibt. Der kleine Ort liegt sehr malerisch auf einem Höhenzug, und ein Rundgang lohnt immer; wenn’s interessiert, schaut sich im Musée du Septennat in der Altstadt die Geschenke an, die Francois Mitterand während seiner Präsidentschaft von vielen Seiten bekommen hat – von Ehrenauszeichnungen bis hin zu wirklich wertvollen Kunstobjekten.

Von Chateau-Chinon aus wenden wir uns jetzt dem südlichen Teil des Morvan zu, der eher gebirgige und waldbestandene Haut Morvan. Der Mont Beuvray, 821 m hoch, ist unser eigentliches Ziel, das wir über eine sehr kurvige und mit vielen Spitzkehren ausgestattete Strecke erreichen. Auf dem Gipfel des Mont Beuvray lag die keltische Siedlung Bibracte, die Hauptstadt des mächtigen Äduerreiches. Etwa. 40 ha der insgesamt 200 ha großen Fläche waren bebaut; in den mit Holzbalken verstärkten Lehmhäusern lebten rund 10.000 Menschen. Hier wurde auch Vercingetorix zum Anführer der Gallier in ihrem Kampf gegen die Römer gewählt, den sie dann verloren – bis auf ein kleines, von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf – aber das ist wieder eine andere Geschichte .... Über Moulins-Engilbert und Chateau-Chinon steuern wir wieder in die seenreiche und doch insgesamt freundlicher erscheinende Landschaft des Bas Morvan zurück, und zwar zum Lac de Pannesière, den wir über fast verlassene Dörfer wie Ouroux (gutes Orientierungsvermögen wichtig!) schließlich erreichen.

Mehr als interessante „Ein- und Ausblicke“

Für die Technikfreaks ist die Staumauer des Sees sicherlich von größerem Interesse als die liebliche Landschaft, die uns hier empfängt. Bei der Staumauer handelt es sich um eine über 300 m lange und 50 m hohe sogenannte „Zellenstaumauer“, die sich an beiden Ufern in massiven Betondämmen fortsetzt. Zwölf runde, auf dem Boden der Schlucht verankerte Pfeiler sorgen für die Standsicherheit der Talsperre, die immerhin über 80 Mio m³ Wasser fasst. Über diesen Stausee wird der Wasserstand des Canal du Nivernais und der Yvonne reguliert. Chassy, Montreillon, Mouron oder Tavernay, das sind die kleinen Dörfer mit Schloss oder Dorfteich, die uns die ländliche Idylle wieder sichtbar vor Augen führen. Zum Abschluss des Nachmittags interessiert uns aber noch das Hinweisschild „Ponts“ in Pierre-Perthuis: in der Tat, es sind zwei Brücken, die hier das kleine Flüsschen Cure überbrücken. „Unten“ ist es die mittelalterliche, so schön gebogene Brücke, und direkt „darüber“ die wesentlich jüngere Straßenbrücke. Auch hier „das“ Idyll schlechthin: der im Bach stehende Angler, der in der Tat gerade etwas fängt, und die Kindergruppe, die auf einem Kletterspielplatz am Üben ist. Übrigens, wer Zeit und Mut hat, überquert die Brücke und folgt der Cure auf dem schmalen Uferweg – durchaus fahrbar, auch für eine Ducati. Aber wie immer bei solchen Ausflügen: Spaziergänger nicht erschrecken und die Natur respektieren, so lautet das Motto, um diese Möglichkeit des Fahrens noch möglichst lange nutzen zu können. In Saint-Père, unmittelbar am Fuß des Hügels von Vézelay, gibt es mit der gotischen Kirche Notre-Dame und ihrem beeindruckenden Äußeren noch ein kleines Highlight zu besichtigen, bevor wir wieder in unserem heiß ersehnten Restaurant in Vézelay eintreffen. Mit dem für Burgund so berühmten und typischen Coq au Vin und dem dazu passenden leichten Rotwein geht nicht nur dieser Tag zu Ende, sondern leider auch unser Abstecher in den Morvan.

Helmut Strauß

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Kommentar vonJames

Your posting really stgnerhteaid me out. Thanks!

Kommentar vonKonrad

Dein Bericht ist einer der Gründe, weshalb ich Anfang Juli 10 Tage ins Burgund fahren werde. Alleine mit meiner Duc werde ich mal Freizeit und Abgeschiedenheit auskosten, ohne Handy, ohne Internet, ohne Whatsapp... Ich freu mich schon sehr, Dein Bericht macht mir jetzt schon viel Vorfreude ;-)
Konrad aus Heroldsberg/BY